Bilderrahmen
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. (1 . Mose 1, 1-5)
Erzählungen werden von Bildern geprägt, und zwar sowohl von Bildern des Erzählers oder der Erzählerin als auch von denen der Zuhörenden. Eine der ältesten Bilderreihen ist die Schöpfungsgeschichte. Die Erschaffung der Erde geschieht aus einer Leere - dem Tohuwabohu - heraus, indem in Bildern 'geordnet' wird. Jeder Tag hat sein Bild. Es ist so, als sei er in einen Rahmen gesetzt. Ich kann mir das jeweils Geschaffene und die Geschöpfe genau ansehen, über sie nachdenken und sie damit würdigen. In eben dieser Würdigung jedes einzelnen der vielen Schöpfungsbilder erschließt sich mir die Fülle des Ganzen.
Diese Gedanken kommen mir in bezug auf das Thema 'Leitbilder in unseren Gemeinden'. Will ich eine Gemeinde, eine Gruppe, einen Kreis leiten, so sind Leitbilder wichtig für das Verständnis der Besonderheiten und des Alltäglichen in meiner Gemeinde. Erst wenn ich einen Einblick in die Fülle dessen habe, was meine Gemeinde ausmacht, kann ich konstruktiv mit ihren Möglichkeiten umgehen. Da könnte ein symbolischer Bilderrahmen, den ich auf das Gesamtbild der Gemeinde lege, eine Hilfe sein. Ein kleiner Rahmen unterstützt das genaue Betrachten. Er zwingt mich dazu, keine Pauschalurteile zu fällen, nicht nur Auffallendes zu gutzuheißen, sondern hinzusehen und zu fragen: Was wird mir in diesem Ausschnitt deutlich? Was überrascht mich? Welche Leitbilder prägen meine Gemeinde und ihre einzelnen Glieder? Was spricht ihnen entgegen?
Verschiebe ich den Rahmen, sehe ich andere Bilder und neue Perspektiven, die mir bisher unbeachtete Möglichkeiten, vielleicht auch Hindernisse vor Augen führen. Jeder kleine gerahmte Ausschnitt gehört zur Gemeinde, die nur dann lebendig bleibt, wenn die unterschiedlichsten Leitbilder in ihren Einzelfacetten und in ihrer Bedeutung für das Ganze gewürdigt werden. Da erst setzt 'Leiten' ein. Möge es ein Leiten sein, das Frucht bringt.
Gebet
Gott, schenke uns den Blick für die vielen Facetten unserer Gemeinde. Hilf, daß wir genau hinsehen und auch die einzelnen und kleinen Bilder wertschätzen. Schärfe unsere Augen ebenfalls für das Ganze, zum Wohl unserer Gemeinde. Amen
Das Gewicht des Lebens
Ein junger Mann kam zu einem alten Weisen.
"Meister", sprach er mit schleppender Stimme "das Leben liegt mir wie eine Last auf den Schultern. Es drückt mich zu Boden und ich habe das Gefühl, unter diesem Gewicht zusammenzubrechen."
"Mein Sohn" sagte der Alte mit einem liebevollen Lächeln, "das Leben ist leicht wie einer Feder."
"Meister, bei allem Respekt, aber hier musst Du irren. Denn ich spüre mein Leben Tag für Tag wie eine tonnenschwere Last auf mir lasten. Sag, was kann ich tun?"
"Wir sind es selbst, die uns Last auf unsere Schultern laden." sagte der Alte, noch immer lächelnd.
"Aber..." wollte der junge Mann einwenden.
Doch der alte Mann hob die Hand: "Dieses "Aber", mein Sohn, wiegt allein schon eine Tonne..."
Das Geschenk
Auf einer der größeren Inseln vor der Küste lebte ein Schüler, der seiner Lehrerin eine ganz besonders geformte Muschel schenkte.
Sie dankte ihm erfreut und bemerkte: „Ich habe noch nie eine so wunderbare Muschel gesehen, sie ist ganz außergewöhnlich schön! Wo hast du sie denn gefunden?"
Der Schüler erzählte ihr von einer versteckten Stelle am anderen Ende der Insel und dass dort hin und wieder solch eine Muschel angeschwemmt werden würde.
„Ich danke dir nochmals von Herzen. Aber du hättest doch keinen so weiten Weg machen sollen, nur um mir etwas zu schenken."
Darauf antwortete der Schüler: „Aber der weite Weg ist doch ein Teil des Geschenks ..."
Das Geheimnis des Glücks
Einmal kam jemand zum persischen Weisen Nasrudin und stellte ihm folgende Frage: „Was ist das Geheimnis des Glücks?“
Nasrudin überlegte eine Weile und antwortete dann: „Das Geheimnis des Glücks ist ein gutes Urteilsvermögen.“
„Aha." sagte der Mann. „Und wie bekomme ich ein gutes Urteilsvermögen?“
„Durch Erfahrung.“
„Ja, ja", erwiderte der Mann „aber wie erlange ich Erfahrung?“
„Durch ein schlechtes Urteilsvermögen.“ war Nasrudins Antwort.
Das Geheimnis der Zufriedenheit
Es kamen einmal ein paar Suchende zu einem alten Zenmeister.
„Meister", fragte einer von ihnen „was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Ich wäre auch gerne so glücklich wie du."
Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich."
Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: „Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?"
Es kam die gleiche Antwort: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich."
Die Unruhe und den Unmut der Suchenden betrachtend, fügte der Meister nach einer Weile hinzu: „Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr, wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein."
nach einer zenbuddhistischen Parabel