Kirche als Glaubensgemeinschaft und Organisation zwischen Auftrag und Bedürfnis
Ein Modell der Verortung und Reflexionshilfe
Wer über Kirche im allgemeinen und die von Kirchengemeinden besonderen Angebote im besonderen nachdenken und dabei auch den Gedanken an „Qualität“ nicht verweigern will, wird gut daran tun, „Kirche“ erst einmal zu „verorten“.
Das folgende durch positive Erfahrungen in der Beratung als Gemeindeberater und Organisationsentwickler in Kirchengemeinden erprobte und verifizierte „Denkmodell“ soll dabei helfen, die gemeindliche Praxis zu reflektiren und die Arbeit einer Kirchengemeinde zu optimieren. Kirchengemeinde als "Kirche vor Ort.
Auftrag
Die Kirche hat einen „Auftrag".
„Auftrag“ ist die Anweisung eines „Auftraggebers“ an einen „Auftragsempfänger“, eine bestimmte Handlung (z.B. Gottesdienst) vorzunehmen und die Erfüllung zurück zu melden.
Für den Auftragsempfänger sind dafür „Ziele“ hilfreich und sogar notwendig. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ ist ein Versprechen des „Auftraggebers“, deckt sich aber nicht mit seinen Zielen. Denn: Das bekannte Lied „Liebster Jesu, wir sind vier“ kann gut gesungen werden, ist aber nicht im Sinne Gottes und außerdem Verschwendung von Ressourcen der bezahlten Mitarbeitenden.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen „Absichten“ und „Zielen“:
Es ist eine weit vernehmbare Absicht aller an der Kirche und ihren Gottesdiensten Interessierten und aktiv Beteiligten, „mehr“ Menschen im Gottesdienst zu erleben. Hilfreicher sind konkrete und mit AROMATA formulierte „Ziele“: 10% mehr Menschen im Durchschnitt eines Jahres im Gottesdienst als im Jahr zuvor. Mehr dazu am Ende dieses Artikels.
Unstrittig ist, dass die Kirche und Ihre Kirchengemeinden einen „Auftrag zum Gottesdienst“ haben, auch wenn sich dies nicht direkt aus dem Tauf- und Missionsbefehl (Matthäus 28) ableiten lässt. Eher schon lässt sich - zumindest für die Feier des Abendmahles - ein Auftrag Jesu erkennen aus den Worten „das tut zu meinem Gedächtnis“. Dies ist ja ein Auftrag für die Zukunft.
Im Neuen Testament gibt es Anweisungen und Anregungen für die Gestaltung von Zusammenkünften, die dann zu „Gottesdiensten“ wurden, aber keinen direkten Hinweis auf einen „Auftraggeber“.
Wie aber wird eigentlich der Auftrag heute begründet?
Die gegenwärtige Situation der Gottesdienste in Kirchengemeinden beschreibt eine mehrfache Begründung:
Gottesdienste werden angeboten und gefeiert sowie gestaltet, weil dies „zur Kirche gehört“: Das ist halt so und war immer schon so ... Die agendarischen Ordnungen der Landeskirchen achten jedoch eher auf „Vereinheitlichung“ und beschreiben kaum einen dezidierten Bezug zum Auftraggeber.
Alle Pfarrerinnen und Pfarrer „empfinden“ einen Auftrag zum Gottesdienst und verwirklichen ihn individuell - geprägt aufgrund ihrer theologischen Einsichten und ihres persönlichen Glaubens.
Mögliche Leitfragen für die Weiterarbeit vor Ort
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Wie formulieren wir gegenüber Dritten den Auftrag Gottes zum „Gottesdienst“ bei uns vor Ort?
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Wie besprechen und klären wir die für unseren Auftrag zum Gottesdienst notwendige „Rückmeldung“ an den Auftraggeber im Leitungsorgan unserer Gemeinde?
Glaubensgemeinschaft
Auf der Linie „Glaubensgemeinschaft und Bedürfnis“ steht die unstrittige Einsicht, dass Kirche eine Glaubensgemeinschaft ist und in den sonntäglichen Gottesdiensten
sich evangelisch-protestantisch „Glaubende“ versammeln (realer Aspekt) „zum Glauben“ gerufen und ermutigt wird (missionarischer Aspekt) der „Glaube“ erklärt und Sprachhilfe gegeben wird (pädagogischer Aspekt)
Dabei ist jedoch nicht nur an den sonntäglichen Gottesdienst zu denken, sondern auch an die Vielfalt gemeindlicher Angebote als weitere Form des Angebotes „Gottesdienst“: Trauung und Beerdigung, Konfirmation, Goldkonfirmation und anderes.
Doch erstaunlicherweise und auch wiederum sehr erfreulich erscheinen in diesen verschiedenen Gottesdiensten Menschen, die den Satz „Ich glaube an Gott“ eventuell noch sagen würden, jedoch bei den Formulierungen des im Gottesdienst gesprochenen Glaubensbekenntnisses im persönlichen Gespräch von „Schwierigkeiten“ berichten. Sie „bekennen“ nicht mehr, sondern „sprechen“ Worte ohne innere Zustimmung oder „lesen“ sie einfach laut oder leise vom Gottesdienstblatt ab. Wenn sie nicht sogar einfach „schweigen“ ...
Die Amtshandlungen bzw. Kasualien gehören dazu: Sie sind „missionarischer“ Anlass, den Glauben der Glaubensgemeinschaft in Worte zu fassen.
„Glaubensgemeinschaft“ ist in Deutschland ein hoher Anspruch und verführt zur Verwechselung mit Freikirchen, als hätten diese ein Copyright als „Glaubensgemeinschaft“ gegenüber den landeskirchlichen Gemeinden als „Konfession“.
Auch Landeskirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und ihre Kirchengemeinden sind eine Glaubensgemeinschaft.
In der Regel wird auf die Frage „Was sind Sie?“ konfessionell-kirchenzugehörig geantwortet: evangelisch, katholisch oder auch „ausgetreten“ oder „ich wurde nicht getauft und bin deshalb „Heide“. Die Antwort „Ich bin Christ“ fällt schwer, ist ungewöhnlich und hat einen nicht gewollten „Bekenntnischarakter“.
Besonders selten teilnehmende Menschen kommen durcheinander, wenn sie im Gottesdienst das Nizänische Glaubensbekenntnis sprechen sollen: Weder kennen Sie den Text - er ist dann im Liedblatt abgedruckt oder es gibt einen Verweis auf die Seite im Gesangbuch - noch sind die historischen Hintergründe seiner Entstehung bekannt - noch wissen sie, dass die Kirche als Glaubensgemeinschaft um diese Texte des Bekennens gerungen hat. Sie werden gebeten, laut mit den anderen zu „lesen“, statt ein Bekenntnis mit Worten der Tradition zu „bekennen“.
Die beschriebene Reaktion auf diese Realität ist eine doppelte:
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Gesprochen wird von „Kerngemeinde“ als einer Gruppe von Menschen, die jeden Pfarrstellenwechsel und jede „individuelle“ Aktivität nicht negativ enttäuscht durch Rückzug zur Kenntnis nehmen, sondern positiv aufnehmen und weiterhin kommen und aktiv teilnehmen. Sie kommen weiterhin zum Gottesdienst - auch bei mancher Kritik an der Person „da vorne“.
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Definiert und beschrieben werden aber auch getaufte Mitglieder als „Kirchendistanzierte“ oder „Kirchenferne“. Sie jedenfalls finanzieren durch Mitgliedschaft und Kirchensteuern den Betrieb und die Aktivitäten der Kirche mit ihren Kirchengemeinden.
Daraus folgt die These: „Mission ist Mitgliedschaftspflege“. Wenn eine Kirche des Glaubens ihrer Mitglieder nicht mehr sicher sein kann oder ist, dann muss sie die Mitgliedschaftspflege optimieren.
Mögliche Leitfragen für die Weiterarbeit vor Ort
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Wie können wir den Glauben der Menschen stärken und profilieren?
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Was wollen wir als „Mitgliedschaftspflege“ tun?
Organisation
"Sollen die ... Veränderungen in der Kirche der Gegenwart gesellschaftstheoretisch und zugleich praktisch beschrieben werden, dann bietet sich der Begriff der Organisation an." (Jan Hermelink in Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge - Die vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, S. 20)
Dem entspricht der Eindruck, dass der Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) den Wandel von der „Institution“ zur „Organisation“ markiert.
Folgende Aspekte einer Organisation werden neben anderen genannt:
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Es gibt ein Eintrittsdatum und die Möglichkeit des Austritts
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Leitend sind ein Programm und daraus folgende Handlungsziele
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Regeln und Gesetze dienen dem zielorientierten Ablauf von Arbeitsprozessen
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Berufliche und ehrenamtliche Tätigkeiten erfordern formulierte Kompetenzen sowie Schulungen und Ausbildungen
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Die Organisation ist erkennbar abgegrenzt von anderen Organisationen
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Eine Organisation bewegt sich im Markt von „Angebot und Nachfrage“.
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Mancherorts wird auch von der Kirche als „lernender Organisation“ gesprochen und empfohlen, die Einsichten der Organisationsentwicklung und ihr Handwerkszeug auch für die Kirche und ihre Gottesdienste zu nutzen.
Mit „Organisation“ ist aber auch gemeint, den Ablauf von „(Arbeits)prozessen“ optimal zu „organisieren.
Auch Gottesdienste haben in der Regel eine Mehrzahl von Akteuren, deren Interessen zu erkennen sind und deren Zusammenarbeit optimal zu organisieren ist. Die oben genannten Aspekte einer Organisation sind dabei zu beachten und gelten auch für die Organisation „Kirche“ und ihre Gottesdienste.
Mögliche Leitfragen für die Weiterarbeit vor Ort
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Welche Handlungsziele haben wir?
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Wer arbeitet bei uns mit wem zusammen und wie können wir die Zusammenarbeit optimieren?
Bedürfnis
Allgemein wird Bedürfnis beschrieben als „Wunsch bzw. Verlangen nach etwas“.
Mit ihren Gottesdiensten erfüllt die Kirche eine Vielzahl von Bedürfnissen: Gemeinschaft, Singen, Musik, Beten, Gottes Wort hören, Abstand zur alltäglichen Welt finden usw.
Der Mitgliederrückgang sowie hohe Austrittszahlen waren Anlass, die Bedürfnisse der Menschen mehr als bisher in den Blick zu nehmen.
Für die Gottesdienste der Kirche führte dies zu einer größeren Ausdifferenzierung: Familien- und Taizé-Gottesdienste, hoch liturgische Gottesdienste und Gospel-Gottesdienste, Feierabendmahl und „Kaffee nach der Kirche, neue Glaubensbekenntnisse und neue geistliche Lieder. Diese knappe Liste lässt sich verlängern.
Einsichten der Milieutheorie weisen darauf hin, dass sich die Bedürfnisse verschiedener Menschen gegenseitig ausschließen: Wer im Gottesdienst Ruhe sucht, wird ihn meiden, wenn dort ein Familiengottesdienst mit Band auf ihn wartet ...
Die Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen führt aber auch dazu, in Konkurrenz zu anderen Anbietern zu treten, die ihrerseits sich an den Bedürfnissen orientieren und sie oft professioneller und besser „erfüllen“.
Die genannten Dilemmata lassen sich nicht eindeutig auflösen.
Wege aus der „Krise des Gottesdienstes“ werden in unterschiedlicher Weise gesucht:
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Wechselnde Gottesdienstformen im Monatsrhythmus
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Kooperationen von Gemeinden
Mögliche Leitfragen für die Weiterarbeit vor Ort
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Welche Bedürfnisse haben die Menschen bei uns im Blick auf unsere Gottedienste?
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Welche Bedürfnisse haben die Akteure unserer Gottesdienste?